Ungarische Braut
1) In Ungerland zu Grosswardein,
Was Neues dort geschehen sei,
Will ich jetzt euch zeigen an.
Merkt mit Fleiss, ihr Frau und Mann !
2) Der Kommandant selbiger Stadt
Ein Töchterlein gezeuget hat.
Theresia ihr Name fein,
Gottesfürchtig, züchtig, keusch und rein.
3) Sie war von ihrer Jugend an
Der Andacht allzeit zugetan.
Im Beten und Singen allezeit
Lobt sie die heil’ge Dreifaltigkeit.
4) Sie war so schön von Leibsgestalt,
Ihrsgleichen fände man nicht bald,
Ein Kavalier, jung, reich und schön,
Hat sich die Jungfrau ausersehn.
5) Er hielt an um das Töchterlein,
Der Vater gab den Willen drein,
Die Mutter zu der Tochter spricht :
„Mein Kind, doch diesen lasse nicht !“
6) Die Tochter fing zu weinen an :
‚Ich habe schon mein Bräutigam,
Dem ich mich hab versprochen ganz,
Zu tragen einen Jungfraukranz.‘
7) Der Vater sprach : „Das kann nicht sein,
Mein Kind, das bilde dir nicht ein,
Wo willst du bleiben mit der Zeit,
Sehr alt wir sind schon alle beid.
8) Vor meinem End ich wissen wollt,
Wo du auch einmal bleiben sollst ;
Darum, mein Kind, ich rate dir,
Nimm dir zur Ehe den Kavalier.“
9) Der Kavalier auch wieder kam,
Man stellte gleich die Hochzeit an,
Und alles war dazu bereit,
Die Braut war voller Traurigkeit.
10) Sie ging in ihren Garten früh
Und fiel darnieder auf ihr Knie,
Ruft sie von ganzem Herzen an
Jesu, ihr liebsten Bräutigam.
11) Da kam ein schöner Jüngling dahr,
Sein Angesicht war hell und klar,
Sein Kleid mit Gold ganz überstickt,
Die Jungfrau erst vor ihm erschrickt.
12) Er grüsst die Jungfrau wunderschön,
Die Jungfrau tut da vor ihm stehn,
Schamhaftig schlug die Augen nieder,
Denn sie empfangt schön Jesu wieder.
13) Die Jungfrau bald Jesum erkannt,
Ihr keusches Herz vor Liebe brannt,
Sie vergass vor Freud all Traurigkeit
Und gedacht nicht mehr an die Hochzeit.
14) Der Jüngling an zu reden fing,
Verehrt ihr einen goldenen Ring,
‚Schau da, mein Braut, zum Liebespfand,
Trag diesen Ring an deiner Hand !‘
15) Die Jungfrau schöne Rosen brach :
„Mein Bräutigam“, zu Jesu sprach,
„Hiermit sei dir von mir verehrt,
Ewig mein Herz sonst keinen begehrt.“
16) So gingen die verliebten Zwei,
Sie brachen Blumen mancherlei,
Jesu, der sprach zu seiner Braut :
‚Kommt, meinen Garten auch beschaut !‘
17) Er nahm die Jungfrau an der Hand,
Führt sie aus ihrem Vaterland
In seines Vaters Garten schön,
Worinnen viele Blumen stehn.
18) Und die Jungfrau ging mit Freud und Lust,
Sehr köstlich Früchte sie gekost’,
Kein Mensch sich nicht einbilden kann,
Was da für edle Früchte stahn.
19) Sie hörten Musik und Gesang,
Die Zeit und Weil wurd ihr nicht lang,
Die silberweissen Bächelein,
Die flossen da ganz klar und rein.
20) Jesus sprach zu seiner Braut :
‚Mein Garten habt ihr nun beschaut,
Euch will ich jetzt geben das Geleit,
In euer Land, es ist nun Zeit.‘
21) Die Jungfrau schied mit Traurigkeit,
Kam vor die Stadt in kurzer Zeit.
Die Wächter hielten sie bald an.
Sie sprach : „Lasst mich zum Vater gahn !“
22) ‚Wer ist der Vater?‘ man sie fragt.
„Der Kommandant,“ sie frei aussagt.
Der eine Wächter aber spricht :
‚Der Kommandant hat ja kein Kind ja nicht !‘
23) Ein Wächter sie geführet hat,
Bis vor die Herren dieser Stadt.
An ihrer Kleidung man erkannt,
Sie sei von einem hohen Stand.
24) Die Jungfrau sagt und bleibt dabei,
Der Kommandant ihr Vater sei
Und sei ja erst vor zweien Stund
Hinausgegangen da jetzund.
25) Die Herren nahmen Wunder sehr
Und fragen, wo sie gewesen wär.
Ihr Vaterland, Stamm und Geschlecht,
Das müsste sie erklären recht.
26) Man suchte auf die alte Schrift,
Unter anderem man auch dies antrifft,
Dass sich die Braut verloren hat,
Zu Grosswardein in dieser Stadt.
27) Die Jahrzahl man gar bald nachzählt,
Hundertundzwanzig Jahr ausmacht,
die Jungfrau war so schön und klar,
Als wenn sie erst wär fünfzehn Jahr.
28) Dabei die Herren wohl erkannt,
Dass dieses Werk von Gottes Hand.
Man tragt der Jungfrau vor die Speis,
Im Augenblick war sie schneeweiss.
29) „Nichts Leibliches ich mehr begehr.“
Sie sprach : „Holt mir den Priester her,
Dass ich empfang vor meinem End
Das höchste Gut im Sakrament.“
30) Sobald nun dieses ist geschehn,
Viel Christenmenschen es gesehn,
Wird ihr ohn grosses Weh und Schmerz
Gebrochen ab ihr treues Herz.
31) Darauf entschlief sie sanft und still.
Merk auf, mein Christ, ist es dein Will,
Dass du einmal willst selig sein,
So lebe züchtig, keusch und rein !
32) So wird dir Gott nach diesem Leben
Dereinstens auch den Himmel geben,
Nach ausgestandnem Kreuz und Leid
Die ewig Freud und Seligkeit.
Source :
« Verklingende Weisen, Lothringer Volkslieder », Louis Pinck, vol. 2, page 73 (voir bibliographie)